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Verfasst am: 18.03.2009 19:02 - Geaendert am: 18.03.2009 19:03 |
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Gleiche PlusMinus Sendung anderer Beitrag.
Hier was über Lage der Lebensversicherer:
Lebensversicherungen
Welche Einbußen gibt es in der Krise?
Sendeanstalt und Sendedatum: BR, Dienstag, 17. März 2009 im Ersten
Drohen Banken zu kippen, könnten auch Versicherungs-unternehmen mitgerissen werden, denn traditionell sind beide sehr stark miteinander verflochten. Dennoch wiegelt der Branchenverband GDV beharrlich ab. Die Versicherer bilden so etwas wie ein Schweigekartell und trotzen beharrlich mit markigen Werbesprüchen wie "Die Finanzmarktkrise ist keine Krise der Versicherungen!"
Allerdings: Viele von ihnen, darunter auch der Branchenprimus Allianz, leiden massiv unter der Krise. Er zum Beispiel musste für das vergangene Jahr einen Verlust von 2,4 Milliarden Euro einräumen. Die Lebensversicherungssparte macht Probleme, die Kapitalanlagen sind eingebrochen. Prognose gibt es keine.
Die Falle
Noch versprechen die Lebensversicherer im Schnitt mehr als 4 Prozent Zinsen, schütten jährlich rund 60 Milliarden Euro an ihre Kunden aus. Doch nun bekommen sie Probleme, das Geld zu erwirtschaften. Das Neugeschäft geht zurück und die Kapitalanlagen verlieren drastisch an Wert oder bringen kaum Zinsen - eine gefährliche Falle. Prof. Dr. Jochen Zimmermann vom Lehrstuhl Betriebswirtschaft an der Universität Bremen: "Wenn wir aber jetzt dauerhaft wegen der Geldpolitik in eine Niedrigzinsphase eintreten, dann kann das für die Versicherer auch bedeuten, dass sie die Versprechen, die sie abgegeben haben zu ganz anderer Zeit, nicht mehr werden halten können. Als Konsequenz müsste man Leistungen, die man versprochen hat kürzen, was auch aufsichtsrechtlich geht.
Die Analyse
Frankfurt, Bankenviertel. Bei der Investmentbank Société Générale besuchen wir den Versicherungsanalyst Dr. Carsten Zielke. Er hat gerade in einer umfassenden Studie mit dem Titel "Nach dem Sturm" die Kapitalanlagen der deutschen Versicherer untersucht und auf ihren tatsächlichen Wert geprüft. Dr. Carsten Zielke, Versicherungsanalyst bei der Société Générale: "Die deutschen Versicherer investieren den Großteil ihrer Gelder direkt oder indirekt in deutsche Banktitel. Sie sind ca. zu 50-60 Prozent dort investiert." 25 % zum Beispiel in Schuldscheindarlehen, das sind Gelder die dann an mittelständische Unternehmen weitergereicht werden oder über den Pfandbriefsektor, das sind Papiere wo zum Beispiel Immobilien finanziert werden oder auch Kommunalkredite".
Bislang waren das sicher geglaubte Geldanlagen. Dr. Zielke hält dieses einseitige Engagement aber für sehr riskant und bezweifelt die absolute Sicherheit der deutschen Bankwerte. So stünden diese in der Regel mit 100 % in den Bilanzen, hätten aber tatsächlich nur einen Marktwert von etwa 70-80 %.
Dr. Carsten Zielke: "Diese werden in den Bilanzen in der Regel mit 100 angesetzt. Tatsächlich haben wir heute aber einen sehr illiquiden Markt, es finden quasi keine Transaktionen statt, sodass der tatsächliche Marktwert nur zwischen 70 und 80 Prozent liegen würde. Auch mit der Sorge, dass hier noch weitere Risiken auftauchen."
Der Bilanztrick
Ein Versicherer hat zum Beispiel ein Kapital von 100 Millionen Euro angelegt. Das steht mit einem Wert von 100 Millionen Euro in den Bilanzen, ist derzeit aber nur noch 80 Millionen Euro wert. Trotzdem müssen Versicherer diesen Wertverlust nicht oder nur bedingt abschreiben, schönen damit ihre Bilanz. So klafft eine Bewertungslücke von 20 Millionen Euro, die als "stille Lasten" bezeichnet wird - ein auf Dauer zwar legaler aber riskanter Bilanztrick.
Die Bewertung der Lage
Einer, der die stillen Lasten analysiert, ist Dr. Marco Metzler vom Deutschen Finanz Service Institut DFSI. In den vergangenen drei Jahren haben die Versicherer immer mehr dieser stillen Lasten angehäuft und damit ihre Bilanzen verbessert. Dr. Marco Metzler, Fachbeirat, DFSI Deutsches Finanz Service Institut: "Die Finanzreserven der Lebensversicherer sind deutlich abgeschmolzen. Wir haben dieses Jahr erstmalig die Situation, dass die stillen Lasten deutlich höher sind als die stillen Reserven, das heißt es entsteht ein Bilanzloch. Es ist ein Kapitalbedarf von rund 40 Milliarden Euro. Hier gibt es Fälle, wo private Investoren dieses Kapital durch Kapitalerhöhung nachschießen können, in anderen Fällen, in aussichtslosen Fällen muss der Staat eben diese Bestände übernehmen und das Kapital nachschießen."
Von den 99 Lebensversicherern in Deutschland wurden in Zusammenarbeit mit dem DAV-Aktuar Dr. Robert Holz von rankingweb.de die Geschäftszahlen hochgerechnet, wie sich die Unternehmen bei einer negativen Entwicklung der Kapitalmärkte behaupten. Das ergibt eine Kennzahl. Liegt diese unter 100 % geht es an die finanzielle Substanz der Unternehmen. Mehr als jeder zweite Lebensversicherer ist davon betroffen. Sinkt diese Kennzahl weiter ab, wird es kritisch. Dr. Marco Metzler, Fachbeirat, DFSI Deutsches Finanz Service Institut: "Bereits Ende 2007 hatten rund 16 Lebensversicherer eine schwache Kapitalausstattung. Die Kapitalmärkte in 2008 haben sich extrem schlecht entwickelt, von daher ist auszugehen, dass rund 20 bis 25 Lebensversicherer auf der Kippe stehen." Die Bewertung des DFSI.
Die Frage der Pleite
Doch wann ist ein Versicherungsunternehmen eigentlich pleite? Laut Gesetz bei Überschuldung, die aber ist bei den Versicherern Auslegungssache. Prof. Dr. Jochen Zimmermann, Lehrstuhl Betriebswirtschaft, Universität Bremen: "Man ist überschuldet, wenn man mehr Verpflichtungen als Vermögen hat. Was aber genau das vermögen wert ist, das ist Ermessenssache und da muss man klären, muss man den momentanen Verkaufspreis nehmen oder das, was man langfristig, wenn man ein bisschen mehr zuwarten kann, erzielen kann."
Rolle und Verhalten der Aufsicht
Die Überschuldung festzustellen, das liegt allein im Ermessen der Versicherungsaufsicht Bafin. Sie prüft und entscheidet über Weiterbestehen oder Geschäftsende. Doch statt in Krisenzeiten genauer hinzusehen, lockert sie derzeit Prüfungs- und Bilanz-Kriterien.
So liegt uns ein internes Rundschreiben des Branchenverbandes GDV vor. Zusammengefasst akzeptiert die Aufsicht darin, dass nun statt der realen Marktwerte von Kapitalanlagen noch höhere Buchwerte in den Bilanzen stehen dürfen. Die mögliche Abweichung wurde von 10 auf 20 % angehoben. Noch mehr Bilanzkosmetik, noch mehr stille Lasten.
Zudem macht uns ein Insider aufmerksam, dass der sogenannte Stresstest der Bafin gelockert wurde. Damit zum Beispiel prüfte die Aufsicht bisher jährlich, ob ein Versicherer noch bestehen kann, wenn der Akteinmarkt um 35 % einbricht, was inzwischen von der Realität schon übertroffen wurde. Tatsächlich, der Test wurde modifiziert, aktuell gilt ein Stressszenario von lediglich minus 16 %, damit weniger Unternehmen durchfallen. Die Aufsicht verteidigt sich. Dr. Thomas Steffen, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, Bafin: "In fallenden Aktienmärkten wäre es falsch den Stress beizubehalten oder sogar zu erhöhen. Das führt dazu, dass Versicherer sich wie Lemminge verhalten würden. Das heißt, in fallenden Aktienmärkten zusätzlich Aktien verkaufen. Das würde dann wiederum die Märkte zusätzlich belasten, das kann nicht im Sinne der Aufsicht sein. Aber klar ist auch, Stresstests sind nicht das einzige Mittel der Aufsicht. Wir lassen uns in solchen Finanzkrisenzeiten wie heute, bei vielen größeren Unternehmen sogar wöchentlich die jeweilige Situation des Unternehmens genauer schildern."
Plusminus hakt nach: "Wenn Sie wöchentlich hinschauen, gibt es dann Problemkandidaten?" Dr. Thomas Steffen: "Es gibt bei denen, die wir uns wöchentlich anschauen keine Problemkandidaten, es gibt selbstverständlich Unternehmen, die in dem ein oder anderen Bereich etwas schwächer oder stärker aufgestellt sind, aber es gibt auch keine Schieflagen."
Fazit
Die Aufsicht beschwichtigt und setzt nach dem Prinzip Hoffnung also allein auf eine rasche Erholung des Kapitalmarktes. Doch was passiert, wenn der Markt weiter nach unten geht und Versicherer ihre Kunden nicht mehr auszahlen können? Per Gesetz übernimmt dann die Auffanggesellschaft Protektor noch laufende Policen und führt sie fort. Aber Protektor verfügt nicht über die Finanzkraft, jeden vierten oder fünften deutschen Lebensversicherer aufzufangen. Dann müsste der Staat einspringen, wenn er die private Altersvorsorge in Deutschland retten will. Das wäre ein neues Fass ohne Boden.
Bericht: Reinhard Weber
Stand: Mitte März 2009
Quelle: http://www.ard.de |
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