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Verfasst am: 01.06.2011 11:46 |
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Die Geldinstitute mit dem roten S-Logo verkünden Rekordergebnisse und feiern sich als Gewinner der Finanzkrise. Ihr Erfolg ist jedoch bedroht: Konkurrenten und Regulierer erschweren das Geschäft, Milliardenrisiken aus der engen Verflechtung mit maroden Landesbanken gefährden die Stabilität.
DüsseldorfDie Landsparkasse in Schenefeld, einer 18 000-Einwohner-Stadt nördlich von Hamburg, hat einen Hauptsitz, drei kleine Filialen und 90 Angestellte; die meisten sind mit Fotos auf der Internet-Seite vertreten. Die Nähe zum Kunden zahlt sich offenbar aus, denn das Kreditinstitut hat in den vergangenen Jahren stets profitabel gewirtschaftet. Und doch ist nach fast 160 Jahren Schluss mit der Selbstständigkeit. Die mit rund 360 Millionen Euro Bilanzsumme kleine Sparkasse ist schlicht überfordert mit neuen Regulierungsvorschriften, Abschreibungen auf die Beteiligung an der HSH Nordbank und der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. "Wir können die wachsenden regulatorischen Anforderungen nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen", sagt Vorstandsmitglied Eggert Eicke. Nun soll ein stiller Teilhaber oder Fusionspartner her.
Rund 600 Kilometer weiter südöstlich, in Weiden nahe der tschechischen Grenze, sucht die Sparkasse Oberpfalz Nord ebenfalls Anschluss. Sie hat 2010 rund 1,4 Millionen Euro verdient, die regionale Wirtschaft brummt, aber die Finanzaufsicht BaFin fordert "wegen der schwachen Kapitalausstattung" eine Fusion. Die mit 1,46 Milliarden Euro Bilanzsumme mittelgroße Sparkasse ist erst 2005 durch die Notfusion zweier Institute entstanden, war aber auch so zu schwach, um alte und neue Lasten tragen zu können. Eine stille Einlage des bayrischen Sparkassenverbandes in Höhe von 23 Millionen Euro hat sie stabilisiert. Doch die muss spätestens 2014 zurückgezahlt werden. Allein werden die Weidener das nicht schaffen.
Die beiden Fälle sind nicht repräsentativ. Und doch zeigen sie, dass die Welt der Sparkassen weniger heil und harmonisch ist, als es die Außendarstellung nahelegt. Viele der in Schenefeld und Weiden überdeutlichen Probleme treffen alle 429 deutschen Sparkassen, wenn auch unterschiedlich hart. Ihr Kerngeschäft mit Privatkunden und Mittelständlern ist umkämpft, wirft wenig ab und steht unter Kostendruck. Die Verbindungen zu den Landesbanken sind riskant und zwingen zu empfindlichen Abschreibungen. Regulierer in Brüssel, Basel und Berlin belasten die Institute mit immer neuen Vorgaben. Der aktuelle Boom steht auf wackligen Füßen, er könnte bald zu Ende gehen.
Zurzeit herrscht Feierstimmung. Lange von Geldjongleuren in Glastürmen als Auslaufmodell und Biedermänner mit Bauch, Bart und Blümchenkrawatte verspottet, haben die Sparkassen in der Finanzkrise regen Zulauf erlebt. Die meisten haben zuletzt sehr gute, sogar Rekordergebnisse vorgelegt. Selbst ein Dauerkriseninstitut wie die durch Engagements bei zahlreichen zweifelhaften kommunalen Prestigeobjekten in Mitleidenschaft gezogene Sparkasse Köln Bonn konnte mal wieder einen Gewinn präsentieren.
Treue zum Kunden und Solidität im Geschäftsgebaren, so scheint es, zahlen sich aus. Die Sparkassen gelten als sicherer Hort für Kundeneinlagen, die ihnen reichlich zugeflossen sind. Zudem profitieren sie vom Aufschwung der Industrie, vor allem im Mittelstand, dessen mit Abstand größter Kreditgeber sie sind. Weil bei ihnen nach dem Gesetz nicht der Gewinn, sondern das Allgemeinwohl im Vordergrund steht - daher auch die Mitfinanzierung sozialer und kultureller Aufgaben in den Kommunen -, bieten Sparkassen ihren Privatkunden zwar keine günstigeren Konditionen an, versprechen aber bessere Beratung. Aus der Gewissheit, auf der guten Seite zu stehen, solides Geldhandwerk und keine Zockerei zu betreiben, fordern Funktionäre wie der hessische Sparkassenchef Gerhard Grandke dann schon mal selbstbewusst die Zerschlagung der Deutschen Bank.
Dabei wird die Welt mit einem Zuckerguss versehen, an Lebenslügen festgehalten, an die hinter vorgehaltener Hand auch viele in der Sparkassenorganisation nicht mehr glauben. Eine Auswahl:
Die Sparkassen waren von der Krise nicht betroffen? Es waren ihre Vertreter in den Verwaltungsräten der Landesbanken, die riskante Geschäfte abnickten. Nun müssen sie die Institute mit Milliarden stützen.
Heinrich Haasis steht seit 2006 an der Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Er ist ein mächtiger Mann mit großem Einfluss auf die Berliner Politik, aber ein Lautsprecher ist er nicht. Sein Stolz kommt denn auch leise daher, als er Mitte März im 44. Stockwerk der Frankfurter Dekabank auf 2010 zurückblickt. Er spricht von Marktanteilsgewinnen, mehr Effizienz, mehr Kundenkonten, besserer Beratungsqualität, gesunkenen Risiken bei den Landesbanken. Und davon, dass die Sparkassen den Unternehmen in der Krise mehr Kredit gegeben haben, während andere den Hahn zudrehten.
Ohne Zweifel sind das beachtliche Erfolge. Und zumindest bei einem Thema hat Haasis kürzlich den Durchbruch geschafft: Die Sparkassen übernehmen nach zähen Verhandlungen die auf Fonds spezialisierte Dekabank komplett, die bisher zur Hälfte den Landesbanken gehörte. Sie können deren Geschäft nun nach ihren Wünschen - das heißt möglichst konservativ - ausrichten. Für andere Risiken fehlen bisher Lösungen.
Die Deutsche Bank geht gemeinsam mit der Postbank auf Kundenfang, die mit der Dresdner Bank fusionierte Commerzbank lockt mit Kampfkonditionen. Hinzu kommen starke Konkurrenten aus dem Ausland wie die über Zukäufe in Deutschland gewachsene spanische Santander (SEB-Bank, heute Santander Consumer Bank) und der französische Crédit Mutuel (Citibank, heute Targobank). Da die Refinanzierung des Geschäfts über den Kapitalmarkt wegen steigender Regulierungsanforderungen für alle Banken schwieriger und teurer wird, nimmt der ohnehin schon ruinöse Wettbewerb um Kundeneinlagen nochmals an Schärfe zu. "Auf dem deutschen Privatkundenmarkt werden die Wettbewerber künftig mit klareren Profilen agieren", sagt Oliver Mihm, Vorstandschef der Frankfurter Beratung Investors Marketing. "Sie sind entweder günstig oder nehmen für sich in Anspruch, Kunden besonders gut zu beraten."
Günstig sind die Sparkassen nicht. Das kostenlose Girokonto, bei vielen Konkurrenten Standard, lehnen sie ab, auch wenn etwa die Sparkasse Karlsruhe zum Missfallen des DSGV ausgeschert ist und die Grundleistung ohne Gebühr anbietet. Einige Sparkassen haben zumindest kostenlose Online-Konten im Angebot. Nachdem sie über Jahre Kunden verloren haben, sind sie diesen bei den Konditionen etwas entgegengekommen. Kampfpreise können sie jedoch nicht bieten, dafür ist ihre Kostenbasis zu hoch. Die können sie auch nicht weiter schrumpfen lassen, ohne ihren wichtigsten Wettbewerbsvorteil zu gefährden: die räumliche Nähe zu ihren Kunden. Die Sparkassen haben das mit Abstand dichteste Filialnetz und die meisten Geldautomaten. Das ist teuer.
Um die Kosten zu drücken, ohne Kunden zu vergraulen, müssen innovative Konzepte her. So gibt es vermehrt Selbstbedienungsfilialen oder Agenturen. "Wir haben zwar ein außerordentlich dichtes Netz an Geschäftsstellen", sagt zum Beispiel Manfred Preiß, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Mittleres Erzgebirge. Doch das sei in Zukunft nicht aufrechtzuerhalten. Nachdem die Sparkasse kürzlich elf Filialen dichtgemacht hat, können sich die Kunden jetzt bei einem Bäcker, einer Lotto-Annahmestelle und einem Geschäft für Holzspielzeug mit Bargeld eindecken und den Schriftverkehr mit der Sparkasse abwickeln. Im rheinischen Neuss, wo drei bisher mit Beratern besetzte Filialen zu Selbstbedienungsstandorten umgebaut werden, könnte künftig ein "Geldtaxi" Teile der Bargeldversorgung für Senioren übernehmen. In Freiburg gibt es sogar eine gemeinsame Filiale der Sparkasse mit der örtlichen Volksbank.
Hinzu kommt: "Die überwiegende Zahl der Sparkassen steht vor massiven demografischen Herausforderungen", sagt Markus Thiesmeyer, Sparkassenexperte bei der Münsteraner Beratung Zeb Rolfes Schierenbeck. "Die klassische Kundschaft, die das bestehende Vertriebsmodell schätzt und weniger preisempfindlich ist, schrumpft." Dabei sind die Sparkassen bei Jugendlichen mit einem Anteil von fast 60 Prozent noch mit Abstand Marktführer. Allerdings ist das Konto für diese noch kostenlos. Sind Schule und Ausbildung beendet, folgt oft auch der Wechsel der Bankverbindung.
Umso fataler ist es, dass die Sparkassen beim Online-Banking hinterherhinken. "Den rechtzeitigen Ausbau haben sie in der Breite zunächst versäumt", sagt Berater Mihm. Vor fünf Jahren hätten nur wenige Sparkassen ein überzeugendes Angebot gehabt, inzwischen seien zumindest Institute wie Köln und Hannover stets unter den besten fünf im Gesamtmarkt.
Im Tagesgeschäft stecken die Sparkassen in einem Dilemma: Eine stärkere Orientierung an Verkaufszielen kollidiert leicht mit ihrem Anspruch, Kunden fair zu beraten und weniger auf den Gewinn zu schauen als die private Konkurrenz. Schon jetzt klagen Betriebsräte über den gestiegenen Verkaufsdruck. Letztlich fehlt der Mut zum großen Wurf. "Die Sparkassen wären als Marktführer prädestiniert, über neue Preismodelle - etwa Flatrates - nachzudenken, mit denen sie auch Themen wie Abschlussdruck oder Verbraucherschutz begegnen und neues Vertrauen gewinnen könnten", sagt Zeb-Experte Thiesmeyer. Auch beim Ausbau der Beratung von Vermögenden und der Altersvorsorge sehen Experten Nachholbedarf.
Nach wie vor hat jede Sparkasse bei ihrem Angebot im Wesentlichen freie Hand. Der Preis der Unabhängigkeit: Kostenvorteile aus der zentralen Entwicklung von Produkten bleiben ungenutzt. Präsident Haasis stellte zwar kürzlich zwei zentral entwickelte Produkte vor: eine EC-Karte, mit der sich im Einzelhandel auch per Ratenkredit einkaufen lässt, sowie ein standardisiertes Angebot zur Auto- und Konsumentenfinanzierung. Allerdings ist die Nutzung für die Sparkassen unverbindlich. "Einzelne Institute verhalten sich egoistisch und pochen auf Selbstständigkeit, ohne Synergien zu nutzen", kritisiert Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management.
Diesen Luxus leisten sich die Sparkassen aus einer Position trügerischer Sicherheit. Sie sind zwar insgesamt stabil durch die Krise gekommen, aber so beeindruckend, wie er auf den ersten Blick scheint, ist ihr Boom nicht. So haben sie zwar im Kreditgeschäft Kunden gewonnen. Im Einlagengeschäft stagniert ihr Marktanteil jedoch bei etwa 40 Prozent, womit sie immer noch mit Abstand Marktführer sind. Das Provisionsergebnis, das etwa die Erfolge bei der Vermittlung von Wertpapieren und Versicherungen misst, ist in der Krise nicht deutlich gestiegen. Der Absatz von Wertpapieren brach zuletzt sogar teilweise dramatisch ein. Insgesamt ging der Umsatz in diesem Geschäftsfeld 2010 um sieben Milliarden Euro zurück. Der Nettoabsatz war sogar negativ, das heißt, Sparkassenkunden verkauften für eine Milliarde Euro mehr Wertpapiere, als sie kauften.
Zugelegt hat vor allem der Zinsüberschuss. 2009 wuchs er um zehn Prozent, 2010 um knapp vier Prozent auf nun 23,5 Milliarden Euro. Ein erheblicher Teil davon kommt durch die sogenannte Fristentransformation zustande. Viele Kunden legen ihr Geld kurzfristig und zu niedrigen Zinsen an, etwa als Tagesgeld. Die Sparkasse verleiht es langfristig für eine Baufinanzierung oder einen Unternehmenskredit zu höheren Zinsen weiter.
Fristentransformation ist eine Grundaufgabe jeder Bank, aber deshalb nicht frei von Risiken. Steigen die Leitzinsen, fallen die Gewinne oder werden zu Verlusten. Denn die Geldinstitute müssen ihren Kunden für die Einlagen höhere Zinsen zahlen, bekommen von ihren Kreditkunden aber weiter den festgelegten Satz überwiesen. Wenn zu viele Kunden ihre Einlagen abziehen, trocknet die Bank aus. Die einlagenstarken Sparkassen und Volksbanken gelten als besonders gefährdet. Bei den hessisch-thüringischen Sparkassen waren zuletzt rund 50 Prozent der Einlagen Tagesgeld - mehr als je zuvor.
Die Bundesbank hat bereits vor den Gefahren des Phänomens gewarnt. "Wir schauen uns das genau an", heißt es in hochrangigen Aufsichtskreisen, die beobachten, dass manche Institute in allen Sektoren einen "heißen Reifen" fahren. Die Sparkassenverbände teilen mit, dass sie ihre Mitglieder daraufhin kontrollieren und die Lage im Griff haben. Laut DSGV beruhten zuletzt 13 Prozent des Zinsüberschusses auf der Transformation von Fristen - das wären rund 2,5 Milliarden Euro. Einige Branchenkenner halten den Wert für zu niedrig angesetzt.
Für zusätzliche Unsicherheit sorgen Bilanzierungsfragen. Die Sparkassen halten, anders als Großbanken, nur einen geringen Teil ihrer Wertpapiere im Handelsbuch, wo sie nach aktuellen Marktpreisen zu bewerten sind. Den Großteil der Anleihen behalten sie bis zur Endfälligkeit, sodass zunächst keine Wertminderungen auszuweisen sind, etwa bei Kursverlusten von Papieren hoch verschuldeter EU-Staaten. "Mögliche Verluste sind deshalb weniger transparent und zeigen sich oft erst nach Jahren", warnt ein Wirtschaftsprüfer aus Frankfurt. Immerhin: In sogenannte Subprime-Papiere, die 2007 am Anfang der Finanzkrise standen, hatten Sparkassen nur sehr begrenzt - im zweistelligen Millionenbereich - investiert.
Die Nachwehen der Finanzkrise machen auch vor den Sparkassen nicht halt, die sich zu Recht zugute halten, den Milliardencrash 2008 nicht verursacht zu haben. Die meisten neuen Vorschriften gelten auch für sie. Dabei sind die verschärften Kapitalanforderungen nach Basel III verkraftbar: "Wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts Grundlegendes ändert, ist das ohne allzu viel Aufwand zu schaffen", sagt der bayrische Sparkassenpräsident Theo Zellner. Mit einer Kapitalquote von im Durchschnitt knapp zehn Prozent erfüllen die meisten Sparkassen die Basel-Regeln bereits. Um sich für die neue Regulierungswelt zu wappnen, haben sie im vergangenen Jahr zudem den Rekordwert von 3,8 Milliarden Euro in ihre Vorsorgereserve eingezahlt.
Einige Detailregelungen haben es für die Sparkassen umso mehr in sich. So wird die Vergabe langlaufender Kredite teurer, einer Domäne der Sparkassen: Knapp 84 Prozent ihrer vergebenen Kredite sind bisher mittel- bis langfristig. Grund sind neue Liquiditätsregeln, die sicherstellen sollen, dass Banken künftig stets genügend flüssige Mittel haben, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. DSGV-Chef Haasis fürchtet, dass sich angesichts teurerer Kredite angloamerikanisch geprägte Modelle stärker durchsetzen und Unternehmenskunden öfter am Kapitalmarkt orientierte Finanzierungen nutzen wie die Ausgabe von Anleihen nutzen. Dabei können ihnen die Sparkassen mangels Kompetenz kaum helfen.
Mehr als die Basel-Regeln treffen die Sparkassen die Vorgaben zum Verbraucherschutz. So müssen sie etwa von Juli an zu jedem von ihnen vertriebenen Produkt ein Informationsblatt liefern. Ausführliche Beratungsprotokolle sind bereits vorgeschrieben. Einzelne Sparkassen haben die Beratung am Telefon aus Angst vor drohenden Haftungsklagen eingestellt. Zudem müssen sich künftig alle Berater bei der BaFin registrieren lassen. Bei Falschberatungen drohen Bußgelder oder sogar ein Berufsverbot. Bei all dem leiden die Sparkassen unter ihrer dezentralen Struktur. Jedes selbstständige Institut muss diese Themen ebenso umsetzen wie eine Großbank. Für kleinere Institute sind Aufwand und Kosten jedoch proportional deutlich größer.
Insider erwarten wegen des Kostendrucks zwar keine Fusionswelle unter den Sparkassen, schätzen aber, dass bereits jetzt zwischen 10 und 15 Prozent der Sparkassen so schwach sind, dass sie unter verschärfter Beobachtung ihrer Verbände stehen. Sie könnten wegen der steigenden Anforderungen gezwungen sein, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Zig Anläufen zum Trotz ist eine Lösung des dringendsten Problems nicht in Sicht.
Die Landesbanken sind die Achillesferse des gesamten öffentlich-rechtlichen Bankensektors. Obwohl auch Haasis seit Jahren auf Fusionslösungen drängt, ist der große Wurf nicht in Sicht. Nun wird die WestLB zerschlagen. Bei den übrigen staatlich gestützten Instituten LBBW, BayernLB und HSH Nordbank ist - anders als bei der ebenfalls geretteten Commerzbank - trotz verbesserter Ergebnisse keine Rückzahlung der Hilfen in Sicht. Selbst solide durch die Krise gekommene Banken wie die Frankfurter Helaba und die Nord/LB in Hannover sind nun auf die Unterstützung ihrer Eigner angewiesen. Bundesländer und Sparkassenverbände haben bei beiden Instituten erklärt, ihr in Form stiller Einlagen gehaltenes Kapital demnächst in hartes Kernkapital umzuwandeln. Die Europäische Bankenaufsicht Die Europäische Bankenaufsicht wollte die bisherige Formwollte die bisherige Form der Beteiligung im aktuellen Stresstest nicht anerkennen, Helaba und Nord/LB würden folglich durchfallen. Für die Eigentümer heißt das aber: Verluste treffen sie künftig direkt und zwingen sie zu Abwertungen ihrer Beteiligung.
Auch wenn die Sparkassen öffentlich gern auf Distanz zu den Landesbanken gehen, ist die Verbindung so eng, dass sie unmittelbar unter den dortigen Problemen leiden. So kann schon jetzt jede Sparkasse ausrechnen, wie viel sie zum Kapital der geplanten regionalen Sparkassen-Zentralbank zuschießen muss, die auf Druck aus Brüssel aus der maroden Düsseldorfer WestLB ausgegliedert werden soll. Insgesamt sind dafür aus Nordrhein-Westfalen wohl 600 Millionen Euro erforderlich, für die Sparkasse in Düsseldorf wären das 25 Millionen Euro, in Krefeld 20, in Duisburg 11. Hinzu kommen die Rückstellungen, die die Sparkassen in den kommenden 25 Jahren für Verluste der in eine Bad Bank ausgelagerten WestLB-Vermögenswerte treffen müssen. Hierfür werden schon jetzt jährlich Millionen fällig, insgesamt müssen die Sparkassen Verluste von 7,5 Milliarden Euro absichern. "Wenn sämtliche Garantien tatsächlich verloren wären, hätte das erhebliche Folgen für die Stadt", sagt Hans-Jürgen Petrauschke, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Neuss.
Die Pleite einer Landesbank wäre für die Sparkassen wegen der vielfachen Verflechtungen noch weit dramatischer. Sie sind Miteigentümer der Landesbanken, wenn sie auch im Zuge der Krise ihre Beteiligung etwa in Bayern deutlich reduziert haben. Nach Schätzungen der Ratingagentur Fitch waren sie 2009 noch mit einem Buchwert von insgesamt 20 Milliarden Euro an den Landesbanken beteiligt. Hier könnten bei Verlusten weitere Abschreibungen erforderlich sein. Das Risiko geht über die Beteiligungen hinaus. Sparkassen sind traditionell passivlastig, haben also deutlich mehr Einlagen in ihrer Bilanz, als sie Kredite vergeben. Aktuell liegt die Differenz bei mehr als 100 Milliarden Euro. Dieses Geld legen sie traditionell vor allem bei den Landesbanken an und investieren es in Wertpapiere. Ende 2010 hatten die Sparkassen knapp 57 Milliarden Euro an Kreditinstitute verliehen und rund 270 Milliarden Euro Wertpapiere in ihrer Bilanz - wie Fitch schreibt, "vor allem inländische Bankanleihen".
Zusätzlich riskant: Rutschen Landesbanken in die roten Zahlen, müssen die Eigentümer sogenannter Nachranganleihen Verluste hinnehmen, weil die Landesbanken die vorgesehenen Kuponzahlungen aussetzen und den Nominalwert der Anleihen herabsetzen können - so geschehen bei der kriselnden HSH Nordbank, wo der Nominalwert auf 79 Prozent sank. Machen die Landesbanken wieder Gewinne, füllen sie den Wert der Anleihen auf und holen Zinszahlungen nach. Das kann aber dauern.
Sparkassen müssen Forderungen innerhalb eines Verbundes anders als sonst üblich nicht mit Eigenkapital unterlegen. Dahinter steht die Überlegung, dass sich dessen Mitglieder im Bedarfsfall gegenseitig stützen. Anders als private Banken zahlen die Sparkassen kaum in einen Fonds ein, sondern garantieren, wenn auch nicht rechtlich verbindlich, dass sie in Not geratenen Instituten beispringen. Zur Rettung einer Landesbank wären die Sparkassen jedoch nicht in der Lage. Selbst Präsident Haasis hat erklärt, dass die Hilfseinrichtungen nicht für derart große Schadensfälle geschaffen seien.
Wie schnell die Sicherungsnetze strapaziert sein können, zeigte sich 2010: Als die Nord-Ostsee Sparkasse in Flensburg, das größte Institut in Schleswig-Holstein, wegen fauler Kredite von mehr als 100 Millionen Euro in Not geriet, reichte der Stützungsfonds im Land nicht aus. Er war bereits 2009 durch die Sparkasse Südholstein stark in Anspruch genommen worden. Die war wegen Engagements bei Lehman Brothers, einer isländischen Bank und der HSH Nordbank in der Krise. In Flensburg musste nun der DSGV mit einspringen.
Die EU wollte mit dieser Institutssicherung eigentlich Schluss machen und die Sparkassen verpflichten, künftig Geld in einen Notfonds einzuzahlen. Elf Milliarden Euro hätte das nach Berechnungen des DSGV in den kommenden Jahren gekostet. Die Position des einzelnen Bankkunden hätte sich verschlechtert, weil sein Entschädigungsanspruch begrenzt würde. Nun hat Brüssel Entgegenkommen signalisiert, allerdings wohl nur aufgrund der Erkenntnis, dass hinter den Sparkassen letztlich die Bundesrepublik steht.
Was fehlt, ist eine grundsätzliche Lösung der vielfältigen Probleme. Für Aufsehen und Ärger hat eine "Streitschrift" aus dem House of Finance der Universität Frankfurt gesorgt - an der neben den Professoren Jan Pieter Krahnen und Helmut Siekmann auch die Ex-Landesbankchefs Günther Merl (Helaba) und Heinz Hilgert (WestLB) mitgeschrieben haben. Nicht nur weil es gleich in der Einleitung heißt, dass "Landesbanken und Sparkassen ein erhebliches Risiko für die öffentlichen Haushalte bergen", hat der DSGV das Papier als "ehrenrührig" zurückgewiesen. Nach Ansicht der Uni-Experten und Bankpraktiker sollten Sparkassen mit dem Kundengeschäft der Landesbanken zu Regionalinstituten fusionieren. Dienstleistungen der Landesbanken wie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs würden in einer einzigen Sparkassenzentralbank angesiedelt, die übrigen Aktivitäten der Landesbanken abgewickelt. "Die Regionalinstitute wären kundenfokussiert, hätten eine klare Eigentümerschaft und eine ausgewogene Aktiv-Passiv-Struktur in den Bilanzen", erläutert Hochschullehrer Siekmann das Konzept.
Viele Banker halten zumindest Zusammenschlüsse zwischen Landesbanken und Sparkassen für letztlich unvermeidbar, weil sich Landesbanken allein über den Kapitalmarkt wohl kaum genug Mittel für ihr Geschäft sichern könnten. "Es besteht in vielfacher Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Landesbanken und Sparkassen", sagt der ehemalige WestLB-Lenker Hilgert. "Und es ist sicher keine Lösung für die Zukunft der Landesbanken, wenn es das vorrangige Ziel ihrer Eigentümer ist, sich möglichst rasch aus ihnen zu verabschieden."
Politisch sind solche Zusammenschlüsse momentan kaum mehrheitsfähig. Doch selbst Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen und kein Sparkassengegner, beklagt, dass "die damalige Regierung während der Krise 2008 die Chance zu Fusionen von Sparkassen und Landesbanken verpasst hat.
Quelle: Handelsblatt.com
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/sparkassen-bieten-truegerische-sicherheit/4220878.html?p4220878=all |
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