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Verfasst am: 12.06.2012 08:59 |
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Am 17. Juni 2012 wählen die Franzosen und die Griechen ihr neues Parlament. Die Griechen gehen allerdings bereits zum zweiten Mal dieses Jahr zur Wahl und stimmen damit indirekt über einen Verbleib der Nation im Euro-Währungsraum ab. So zumindest stilisiert die Presse die Wahlen zu einem Ereignis, dass tatsächlich die Geschichte der Europäischen Union nachhaltig verändern könnte. Denn jedes Land das die europäische Währungsunion verlässt, verlässt nach den aktuellen Verträgen damit auch zwangsläufig die Europäische Union (EU).
Wie wird das Wahlergebnis nun ausfallen? Täglich werden neue Prognosen veröffentlicht und die zeitnahe Interpretation spiegelt sich in der Entwicklung der Börsenkurse wider. Wie aussagekräftig Prognosen sein können und wie aussagekräftig diese in der aktuellen Situation Griechenlands sind, haben die Prognosen zu den Vorwahlen im Mai diesen Jahres gezeigt: die Prognosen sind nicht eingetreten. Die Mehrheit der Griechen will den Euro behalten, lehnt aber die Sparmaßnahmen ab. Das eine wird aber wohl nicht ohne das andere zu ermöglichen sein. Daher wäre eine Mehrheitsregierung, die die Reformbemühungen im Euro fortsetzt sinnvoll.
Verlassen wir uns also nicht auf das was möglicherweise kommen wird bzw. kommen sollte, sondern beleuchten wir die potenziellen Auswirkungen der Wahlen auf die einzelnen Anlagen (Wertpapiere, Währung). Wir orientieren uns hierbei an der sogenannten Troika und deren Bedingungen und Beschlüsse mit der Vorgängerregierung in Griechenland, um für Griechenland weitere Hilfsleistungen zu gewährleisten. Als Troika wird hier das Dreigespann aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) sowie Internationalem Währungsfonds (IWF) bezeichnet. Dies ist natürlich nur eine grobe Projektion, zeigt aber auf, wie schwierig die aktuelle Situation tatsächlich ist.
DIE AUSWIRKUNGEN EINER INTENSIVIERTEN EURORAUM-KRISE AUF VERSCHIEDENE REGIONEN
PROGNOSEN: DAS WAHLERGEBNIS IN GRIECHENLAND IST ...
… EINE PRO-TROIKA REGIERUNG MIT EINER REGIERUNGSFÄHIGEN, STARKEN MEHRHEIT.
Diese verhandelt und beschließt schnell die Details zu den Haushaltseinsparungen (für 2013), so dass die Troika-Gelder Ende Juni freigegeben werden. Trotz der politischen Extreme, die derzeit in Griechenland zu finden sind und der mangelnden Akzeptanz, der von Europa geforderten Sparmaßnahmen, scheint wohl die Mehrheit der griechischen Bürger im allgemeinen Pro-Euro eingestellt zu sein. Der Euro bleibt in Griechenland und die G10-Währungen bleiben in der Folge stabil. Die Aktienmärkte starten eine temporäre Erholungsrally, die in den folgenden Quartalen wieder rückläufig sein könnte, sofern keine echten Problemlösungen auf den Tisch kommen.
… EINE ANTI-TROIKA REGIERUNG – VARIANTE 1.
Diese erklärt als erstes die Troika-Vereinbarungen für null und nichtig. Die anderen EU-Länder scheuen die Konsequenzen eines Austritts Griechenlands und weichen langsam die Bedingungen (für die Hilfeleistungen) für Griechenland auf. Der Euro bleibt in Griechenland. Ohne Wachstum bleiben die kurz- und langfristigen Probleme bestehen. Es werden keine Troika-Mittel ausbezahlt, einzig die nationalen Banken in Griechenland werden mit Liquidität über die EZB versorgt, auch die Anleihemärkte der Peripherieanleihen werden weiter gestützt. Die Renditen deutscher Staatsanleihen fallen weiter. Ein gutes Umfeld für Aktien, falls quantitative Lockerungsprogramme den Prozess begleiten sollten.
… EINE ANTI-TROIKA REGIERUNG – VARIANTE 2.
Die Troika-Vereinbarung wird zunächst für null und nichtig erklärt. Die anderen EU-Länder sind zu keinen Kompromissen bereit, da sie die Ansteckungsgefahren für geringer halten, als die "moralische Verwässerung" (Erklärung: es werden Strafen angedroht aber nie bei einem Verstoß vollzogen), falls man in Griechenland weiter nachgeben würde. Als Konsequenz werden keine neuen Hilfen in Aussicht gestellt. Alleine gelassen und konfrontiert mit einem Banken-Run (Bankkunden ziehen in außergewöhnlich hoher Zahl ihre Gelder von ihren Konten ab), entscheidet sich Griechenland am Ende für den Austritt aus dem Euro. Griechenland wird in der EU zum Einzelfall erklärt. Es erfolgt keine "Ansteckung" anderer Länder. Es werden verstärkt neue Lösungen angegangen, um die Schwäche Europas zu bekämpfen: Umverteilung der Schulden, es werden eventuell Eurobonds herausgegeben und eine Fiskalunion rückt in greifbare Nähe. Die Renditen deutscher Staatsanleihen steigen und die Renditen anderer EU-Staaten gleichen sich wieder an. Ein gutes Umfeld für europäische Aktien, wenn ebenfalls weitere quantitative Lockerungsprogramme fortgeführt werden.
... EINE ANTI-TROIKA REGIERUNG – ABER GRIECHENLAND VERLÄSST DEN EURO UND DIE ANDEREN EU-STAATEN KÖNNEN SICH NICHT ÜBER DAS WEITERE VORGEHEN EINIGEN.
Die Renditen driften weiter auseinander, die Spareinlagen werden verstärkt bei den Banken europaweit abgerufen und der Euro-Wechselkurs fällt weiter. Die Renditen deutscher Staatsanleihen fallen ebenfalls weiter. Sowohl die neuen Beschlüsse, als auch die anderen, schwächeren EU-Staaten werden von den Finanzmärkten genauer beobachtet. Portugal und potentiell auch Spanien und/oder Irland können ihre Defizitziele nicht halten. Im schlechtesten Fall geht Portugal den gleichen Weg wie Griechenland. Nur mit weit schwerer wiegenden finanzwirtschaftlichen Konsequenzen (bisher keine Abschreibungen wie bei Griechenland, daher stärkere Auswirkung auf die Märkte). Massive Bewegungen nicht nur an den Kapitalmärkten sind die Folge. Da neue Währungen (Beispiel eine neue Drachme) gegenüber Deutschland zunächst wohl deutlich abwerten, befindet sich die deutsche, europabezogene Exportindustrie kurzfristig in einem ungünstigen Währungsumfeld. Für Aktien in den USA sollte die Entwicklung eher positiv sein, da der produktive Ausstoß in Europa zunächst zurückgehen sollte. Eine Möglichkeit diese Entwicklungen auszuschließen, liegt wahrscheinlich in einem schnellen und EU-weiten Kraftakt mit dem Ziel einer Fiskalunion, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen für die einzelnen Staatshaushalte.
... ES ZEIGT SICH ERNEUT, DASS EINE REGIERUNGSBILDUNG NICHT MÖGLICH IST. DER AKTUELLE PROZESS WIEDERHOLT SICH. ES KOMMT WIEDER ZU NEUWAHLEN.
Solange keine Klarheit besteht, bleibt es bei der Flucht des Kapitals in die sogenannten sicheren Häfen (Deutsche Staatsanleihen, US-Dollar oder Japanischer Yen).
WELCHE KURZFRISTIGEN AUSWIRKUNGEN WÜRDE EINE NEUE WÄHRUNG IN GRIECHENLAND HABEN?
Jedes Mitgliedsland das die europäische Währungsunion verlässt, verlässt nach den aktuellen Verträgen damit auch die Europäische Union. Ein Vorgang, der eigentlich nicht vorgesehen ist und der nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds für eine dramatische Situation in Griechenland sorgen könnte. So sollte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Jahr nach dem Austritt und der Einführung einer neuen Währung wahrscheinlich um mindestens 10% sinken. Die Auswirkung auf die Inlandsnachfrage würde noch extremer ausfallen.
Vor dem Hintergrund dieser Szenarien fallen die verwaltungstechnischen Probleme einer Währungsumstellung fast nicht ins Gewicht. Da ein Austritt nicht geplant ist, wird man auch nicht entsprechend technisch darauf vorbereitet sein. Eine kurzfristige Lösung sind hier die Schuldscheine (IOUs "I owe you",
"Ich schulde Ihnen"), diese könnten als Zwischenlösung von einer Regierung ausgegeben werden, um beispielsweise Staatsangestellten die ausstehenden Löhne zu zahlen. Prominentes Beispiel vor einigen Jahren: Gouverneur Arnold Schwarzenegger und sein US-Bundesstaat Kalifornien.
Eine neue Währung würde bei Ausgabe sofort an Wert gegenüber den anderen Währungen einbüßen. Dies treibt die Importpreise nach oben, damit müssten die Löhne inflationsgetrieben nach oben angepasst werden, was in der Folge eine Hyperinflation auslösen könnte. Wichtig ist also ein koordiniertes Vorgehen auch auf Seiten der lokalen Gewerkschaften, denn die Vorteile der Währungsabwertung lösen sich ansonsten schnell auf und ändern die Situation nicht wirklich.
Das griechische Staatsdefizit muss entweder über höhere Steuern oder effektivere Steuereinnahmen bzw. geringere Staatsausgaben weiter in normalere Bahnen gelenkt werden. Ohne ein Vertrauen in eine Besserung bleiben weitere externe Geldgeber aus, ein weiterer Schuldenschnitt ist dann unvermeidlich.
Aus dem Eurozonen-Anleihemarkt würde ein Markt der wohl kurzfristig von Spekulanten getrieben wird. Der Austritt Griechenlands wird wahrscheinlich nicht als finale Lösung gesehen, sondern als erster Schritt dorthin und andere EU-Länder werden von den Finanzmärkten dann noch stärker in den Fokus genommen. Rettung kommt in diesem Fall sehr wahrscheinlich wieder von der Europäischen Zentralbank, die den Markt mit Liquidität versorgen wird. Unter Umständen werden die Zinsen weiter gesenkt und weitere marktstützende Maßnahmen eingeführt. Das resultiert dann in einem noch stärkeren Fall des Euro-Wechselkurses, insbesondere direkt nach einem Austritt Griechenlands.
Deutschland könnte zu weiteren Zugeständnissen bereit sein und den eigenen finanziellen Beitrag weiter erhöhen. Die Staaten schreiten in ihren Reformprozessen voran und eröffnen damit auch neue Wachstumschancen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) legt neue Projektanleihen auf, um den Prozess mit zu finanzieren.
FAZIT
Der Ausgang der Wahlen in Griechenland und die Konsequenzen daraus sind schwer zu prognostizieren. Das Land bleibt so oder so in einer sehr kritischen Situation. Wir gehen nach derzeitigem Kenntnisstand aber davon aus, dass der Euro auch diese schwierige Phase überstehen wird und uns erhalten bleibt. Es gibt kein echtes politisches und ökonomisches Interesse an einem Auseinanderbruch.
Die Herausforderungen sind gewaltig, bis zu einer Lösung wird es lange dauern und viel Geld kosten – auch uns – aber es ist machbar. Am Ende könnte ein, in vielerlei Dingen enger vernetztes Europa stehen, welches auch gegenüber den Wirtschaftsblöcken USA, Japan und den Schwellenländern ein starkes Gewicht bildet.
Mittlerweile wird über eine Art Masterplan diskutiert, der die Eckpunkte: gemeinsame Bankenaufsicht und -sicherung, Strukturreformen, Fiskal- und politische Union beinhalten könnte und im Juni in enger Zusammenarbeit mit den Präsidenten der EU-Kommission, der Eurogruppe und der Europäischen Zentralbank erarbeitet werden soll.
Quelle: HypoVereinsbank PB Trends und Märkte |
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