Ein weiteres Kritikschreiben ...
... liegt uns von Herrn Troßmann vor - Ausbildungsleiter bei der Sparkasse Amberg-Sulzbach. Das Schreiben haben wir teilweise gekürzt, da bereits eine positive Rückantwort von der IHK Regensburg zur Berücksichtigung von Folgefehler eingegangen. Die Musterlösungen wurden um diese Informationen ergänzt.
[...] bei der IHK-Abschlußprüfung Winter 2002/2003, die am vergangenen Mittwoch, 27. November 2002, durchgeführt wurde, [gab es] erneut Probleme und Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der gestellten Prüfung.
Elf Auszubildende unserer Sparkasse unterzogen sich dieser Prüfung. Im folgenden möchten wir Ihnen darlegen, welche Schwierigkeiten es bei der Bearbeitung der Prüfung gab und wir bitten um eine Stellungnahme zu den von uns vorgebrachten Kritikpunkten.
Nach den beiden ersten Aufgaben [im Bereich Bankwirtschaft Teil I - Konventionelle Aufgaben], die keinen Anlaß zur Beanstandung gaben, geht es in Aufgabe 1c um die Gegenüberstellung der Incoterms CIF und FOB im Bezug auf Kosten- und Gefahrenübergang anhand eines Schemas im Lösungsbogen. Die Bearbeitung der Aufgabe war den Prüflingen nicht möglich da im gesamten Lösungsbogen kein solches Schema vorhanden war. Nach telefonischer Rücksprache [...] mit der IHK Regensburg wurde vereinbart, dass diese Aufgabe nicht bearbeitet werden muss. Das Fehlen dieses Schemas sorgte bereits zu Beginn der Prüfung für sehr hohe Unruhe und verschwendete wertvolle Prüfungszeit!
Im Bereich Bankwirtschaft Teil II - Programmierte Aufgaben mussten wir leider auch einige Unstimmigkeiten feststellen. In Aufgabe 7 geht es um die Voraussetzungen unter denen die Kundin die Wohnungsbauprämie erhält. Hierbei ist der Lösungsvorschlag Nummer 4 zu bemängeln, da die Kundin nach der Bindungsfrist von 7 Jahren das Bausparguthaben auch für nicht wohnwirtschaftliche Zwecke verwenden kann. Auf Grund der Angabe (2 Lösungen) können aber nur die Nummer 2 und die besagte Nummer 4 richtig sein. Unserer Ansicht nach handelt es sich hierbei um eine unklar bzw. falsch formulierte Anwortmöglichkeit.
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Im Bereich Rechnungswesen und Steuerung mussten wir leider wie bereits in der letzten Prüfung Sommer 2002 bei den Angaben eine sehr unklare Fragestellung feststellen, die die Bearbeitung der Aufgaben enorm behinderte. Bei der Aufgabe 5b soll der Prüfling den realisierten Erfolg in EUR aus dem Verkauf der 6%igen Bundesanleihe über 400.000 EUR zum 01.06.2001 ermitteln. Dabei geht aus der Fragestellung nicht hervor, ob bei der Ermittlung des realisierten Erfolgs der durchschnittliche Anschaffungskurs aus a) von 100,6 % verwendet werden soll. Dies kostet den unter großem psychischen Stress stehenden Auszubildenden wichtige Minuten, in der zeitlich immer sehr knapp bemessenen Rechnungswesen-Prüfung. Unserer Meinung nach hätte die korrekte Fragestellung folgendermaßen lauten müssen: "Berechnen Sie den realisierten Erfolg in EUR aus dem Verkauf vom 01.06.2001 auf der Basis des durchschnittlichen Anschaffungskurses".
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Bei der Aufgabe 12 ist dann wohl wieder ein Fehler in der Angabenstellung unterlaufen. In der Teilaufgabe 12b) soll der Anlagendeckungsgrad II ermittelt werden. Die Formel lautet: (Eigenkapital + langfr. Fremdkapital) dividiert durch das Anlagevermögen. Jedoch geht aus der Gliederung der zur Aufgabe 12 abgedruckten Bilanz nicht eindeutig hervor, ob der ausgewiesene Warenbestand in Höhe von 50 TEUR zum Anlagevermögen oder zum Umlaufvermögen gehört. Dies spielt bei der Berechnung des Anlagendeckungsgrades II eine wesentliche Rolle. Neben der Verwirrung ist das ganze auch jetzt wieder mit Zeitverlust verbunden. Auch das bei Frage 12e) zur ermittelnde Betriebsergebnis lässt sich nicht eindeutig berechnen, da aus der Angabe nicht eindeutig hervorgeht ob es sich bei den Sonstigen Aufwendungen in Höhe von 50 TEUR um ordentliche bzw. neutrale Aufwendungen handelt. Sollen sie als ordentliche Aufwendungen angesehen werden müssen sie bei der Berechnung des Betriebsergebnisses berücksichtigt werden. Auch hier herrscht wieder Verwirrung mit damit einhergehendem Zeitverlust.
Im letzten Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde haben wir folgende Aufgaben zu beanstanden:
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Eine leider wieder sehr unglücklich formulierte Fragestellung bei der Aufgabe 10a) führte bei den Prüflingen erneut zu Verwirrung. In a) ist das frei verfügbare Einkommen der privaten Haushalte zu ermitteln, wobei nicht genau definiert ist, wie sich das frei verfügbare Einkommen zusammensetzt. Sind bei diesem Einkommen die staatlichen Zuschüsse in Höhe von 30 mit einzubeziehen oder nicht? Diese Unklarheit führt natürlich unweigerlich zu Folgefehlern bei der Bearbeitung der folgenden Teilaufgaben der Aufgabe 10. Da der geschlossene Wirtschaftskreislauf 0 auf 0 aufgehen muss, verschiebt sich der gesamte Kreislauf durch die unklare Fragestellung in 10a). Somit wurde diese Aufgabe sehr zeitraubend.
Ungenaue Antwortmöglichkeiten müssen wir leider auch bei der Aufgabe 14 bemängeln. Gesucht werden zwei Antworten die sich, auf Grund ihrer Formulierung, nicht eindeutig, der gestellten Frage zuordnen lassen.
Zuletzt ist auch die Aufgabe 16 als sehr realitätsfremd einzustufen, da in der Praxis z. B. die Dienstleistungsbilanz immer ein negativen Saldo aufweist. Ein Grund dafür ist der Tourismus, d.h. die Inländer geben sehr viel Geld für die Erholung im Ausland aus. Deshalb ist es schwierig zu beurteilen, ob es sich um eine Erhöhung oder Verminderung der entsprechenden Teilbilanz handelt.
Als Gesamtfazit für die Prüfung halten wir fest, dass durch die wiederholt vorkommenden unvollständigen oder unklaren Aufgabenstellungen enorm viel Zeit bei der Bearbeitung der Aufgaben verloren geht. Die ohnehin bei einer Prüfung vorhandene enorme psychische Belastung bei den Prüflingen wurde durch alle genannten Punkte (zu kurze Zeitvorgabe, unvollständige und unklare Aufgabenstellungen) auf ein unerträgliches Maß gesteigert, womit auch die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt wurde.
Ich bitte Sie darum, die von uns vorgebrachten Kritikpunkte bei der zuständigen Stelle vorzubringen, so dass diese bei der Ermittlung der Musterlösung mit einfliessen können. Wir hoffen, dass die über einen Zeitraum von fast 2 1/2 Jahren guten bis sehr guten schulischen Leistungen nicht erneut, wie bereits bei der Sommerprüfung 2002, durch die Art und Weise der Aufgabenstellung in der Abschlußprüfung negativ beeinflußt bleiben. Das hoffen wir für unsere engagierten Berufsschullehrer für uns als Ausbildungsbetrieb und vor allem für unsere Auszubildenden, die nicht um den Lohn ihrer Arbeit gebracht werden sollten.
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Veröffentlicht von: karo78
Datum: 17.12.2002
Quelle: Bankazubis.de
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