Kapitalanforderungen "nicht jenseits von gut und böse"
Die Finanzkrise ist noch nicht vorüber. Diese Ansicht vertrat Dirk Schiereck, Professor im Fachbereich Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt, in einer Diskussionsrunde beim Symposium der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) am gestrigen Montag. Die Verluste in Vermögenswerten, konkretisierte Schiereck, seien noch nicht in allen Bankbilanzen abgebildet.
Deutschland "dramatisch overbanked"?
Zuvor hatte Johannes Reich, Bankhaus Metzler, fünf Thesen zum Thema „Brauchen wir eine neue Aufklärung? – Banken im 21. Jahrhundert“ aufgestellt. „Banken brauchen Kunden – keine Kunden, kein Geschäft“, lautete die erste. Damit seien aber nicht Kunden gemeint, die die ihnen angebotenen Finanzprodukte nicht brauchen, nicht wollen oder nicht verstehen. Reichs Diagnose: Deutschland sei „dramatisch overbanked“, viele Institute seien mit einer „unvertretbar kleinen Kundenbasis“ ausgestattet und würden sich überdies mit ihrem Angebot nicht genug voneinander abgrenzen. Dirk Jäger vom Bundesverband deutscher Banken (BdB) spann den Faden weiter: Das Problem Deutschlands liege in der Ertragsschwäche seiner Kreditinstitute. Solange das der Fall sei, erklärte Jäger, werde es „Ausweichreaktionen“ der Banken - zum Beispiel die Flucht in riskante Eigenhandelsgeschäfte - geben.
„Heilfroh“, dass der Sparkassen- und Genossenschaftssektor existiert, ist dagegen Max Otte, Professor an der Fachhochschule Worms, einem breiten Publikum bekannt durch die Vorhersage der jüngsten Krise in seinem 2006 erschienenen Buch. Die Theorie von der Ertragsschwäche hält er für eine „Mär“. Nach Ottes Ansicht braucht es weniger, aber bessere Regulierung. Nach seiner Ansicht sollte der Regulierer das jeweilige Geschäftsmodell der Bank berücksichtigen, feste Eigenkapitalquoten als Basis vorgeben und Aufschläge für eingegangene Risiken verlangen. Außerdem befürwortet der Ökonom die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Das Argument, dass auch Normal-Sparer dadurch über die Maßen belastet würden, lässt er nicht gelten: Nach seinen Berechnungen schlägt die Steuer bei Riester-Sparer über einen Zeitraum von 20 Jahren mit 25 bis 30 Euro zu Buche.
Basel III "nicht ultimative Rettung"
„Wir alle ahnen, dass Basel III nicht unsere ultimative Rettung sein wird“, gab auch Reich zu Protokoll, der die Thesen „Banken brauchen Liquidität“ und „Banken brauchen Kapital“ in den Ring warf. Die sieben Prozent, die Banken ab dem Jahr 2019 an hartem Kernkapital vorhalten müssen, seien „nicht jenseits von gut und böse“. Denn: Wenn eine Bank ihre Risiken nicht im Griff habe, würde auch diese neue Grenze das Institut nicht vor einer Schieflage bewahren. Gleichzeitig ist Reich der Meinung, dass Banken Risiken benötigen – schließlich sei es die „ureigenste Aufgabe“ der Kreditinstitute, den einzelnen Bürger, Unternehmen und auch den Staat insbesondere mit Finanzierungen zu versorgen. Folgerichtig heißt Reichs fünfte These: „Banken brauchen die Gesellschaft“: Die Finanzindustrie dürfe nicht aufhören, sich zu verbessern, und zu erklären, welchen Beitrag sie zum Wohlstand leiste.
Was die neuen Kapitalanforderungen angeht, meint auch Hiltrud Thelen-Pischke (PricewaterhouseCoopers), fordere der Markt schon heute mehr von den Banken. In ihrem Vortrag wies sie auf die besondere Stellung der CRD IV (Capital Requirements Directive) hin. Vorbehalte müssen Banken an Brüssel richten, denn die CRD IV wird, anders als ihre Vorgänger, wohl zumindest in Teilen keine EU-Richtlinie, sondern eine EU-Verordnung sein. Laut Thelen-Pischke kommt der Leverage Ratio künftig voraussichtlich eine große Bedeutung zu.
Kritik an Liquiditätskennziffern
Max Weber vom Beratungshaus Ernst & Young äußerte Kritik an den zwei diskutierten Liquiditätskennziffern, der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der Net Stable Funding Ratio - auch wenn die Vorgaben an die Liquidität in Banken grundsätzlich zu begrüßen seien. Die LCR, die das kurzfristige Liquiditätsrisiko bis 30 Tage begrenzen soll, bedingt, dass Kreditinstitute ein Portfolio hochqualitativer, liquider Aktiva – Barreserve, Staatsanleihen, Pfandbriefe und Unternehmensanleihen mit Abschlag, dem so genannten „Haircut“, aber keine Bank-Anleihen – aufbauen. Abgesehen vom Risiko, das Staatsanleihen bergen können, moniert Weber, dass das Portfolio nur eine geringe Rendite abwerfe und damit möglicherweise den Druck auf das Geschäftsmodell von Banken ausübe. Überdies erhöhe die aufgebaute Aktiva wiederum die Leverage Ratio. Neue Risiken sieht der Experte vor allem im Commodities-Bereich auf die Finanzindustrie zukommen.
Quelle: Bankmagazin.de
Veröffentlicht von: TobiasH
Datum: 31.05.2011
Quelle: Bankazubis.de
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