Retail Banking: Situation bleibt angespannt
Die Situation im Retail Banking bleibt angespannt. Nachdem es im Frühjahr 2011 kurzzeitig nach einer Erholung aussah, hat sich die Schuldenkrise im zweiten Halbjahr deutlich in der Performance der Retailbanken niedergeschlagen, wie der BCG Retail Banking Performance Index für das vierte Quartal 2011 bestätigt.
Der BCG Retail Banking Performance Index zeigt für das vierte Quartal 2011 eine weitere Verschlechterung. Weltweit sinken die Erträge leicht um einen Indexpunkt von 109 auf 108. Deutlicher fällt die Entwicklung der Profitabilität aus. Der Pre-tax Profit Index sinkt um 11 Indexpunkte bzw. fast 20 Prozent. Es gibt jedoch bemerkenswerte Unterschiede zwischen einzelnen Regionen und Banken.
Nordamerika: Erträge stagnieren auf Niveau von 2006
Die Retail-Banking-Erträge in Nordamerika stagnieren auf dem Niveau von 2006. Die Profitabilität ging nach einem starken Anstieg im dritten Quartal bis zum Jahresende 2011 wieder leicht zurück. Sie erreichte im vierten Quartal – verglichen mit den vergangenen drei Jahren – zwar einen recht hohen Wert, liegt jedoch weit unter dem Stand von 2006. Die leichte Reduktion gegenüber dem vorherigen Quartal resultiert insbesondere aus einem Anstieg der Kosten. In Bezug auf die Loan-Loss-Provisions sind die Banken sehr heterogen.
Den stärksten Profitabilitätsrückgang hatte die Bank of America zu verzeichnen. Das massive Sparprogramm mit einem geplanten Abbau von 30.000 Stellen schlägt sich noch nicht in den Kosten nieder; die operativen Kosten sind auch im vierten Quartal gestiegen. Außerdem erhöhte die Bank noch einmal ihre Risikovorsorge (wie in jedem der letzten vier Quartale). JPMorgan Chase verzeichnete im vierten Quartal 2011 einen Rückgang der Erträge im Retail Banking und beendete damit den kontinuierlichen Anstieg der drei vorherigen Quartale. Zwar konnte Chase auch die Risikokosten zurückfahren, gleichzeitig schrumpfte unter dem Strich jedoch der Gewinn. Auch die Citigroup konnte wiederholt ihre Risikokosten reduzieren; allerdings stiegen die Kosten, sodass das Gesamtergebnis stagnierte. Wells Fargo konnte sich mit seinem guten Ruf positiv von den Wettbewerbern im Heimatmarkt absetzen, jedoch wurden steigende Einnahmen ebenfalls durch steigende Kosten kompensiert.
Nicht zuletzt werden die US-Banken von den Problemen der Vergangenheit eingeholt. Die Bank of America hatte nach der Finanzkrise überhöhte Gebühren für Überziehungen eingenommen, gegen die die Kunden in einer Sammelklage erfolgreich vorgegangen sind. Die Einigung mit rund einer Million Bankkunden kostete die Bank of America 410 Millionen Dollar (rund 310 Millionen Euro). Unabhängig von der Einigung dürften diese Probleme künftig nicht mehr auftreten - die US-Notenbank hat bereits das automatische Einziehen von Gebühren bei Überziehungen unterbunden. Auch der Citigroup kommt der nachlässige Umgang mit staatlich abgesicherten Hauskrediten teuer zu stehen. Sie zahlt dafür in einem Vergleich 158 Millionen Dollar (rund 120 Millionen Euro) als Wiedergutmachung.
Europa: Drastischer Ergebnisrückgang setzt sich fort
Die seit der Finanzkrise zu beobachtende unterschiedliche Entwicklung in Nordamerika und Europa zeigte sich auch im letzten Quartal 2011. Nachdem die Erträge in Europa im dritten Quartal zum ersten Mal seit zwei Jahren deutlich zurückgegangen waren, stagnierten sie im vierten Quartal auf diesem Niveau. Die Profitabilität verringerte sich noch einmal erheblich um weitere 15 Indexpunkte (rund 20 Prozent) und setzte damit ihren drastischen Abwärtstrend fort. Diese Veränderung zum Jahresende 2011 resultiert aus einem Anstieg der operativen Kosten sowie einer Verstärkung der Risikovorsorge.
Diese Entwicklung wurde insbesondere durch französische Banken getrieben: Trotz ihrer starken Stellung im inländischen Privatkundengeschäft erhöhten sich bei Crédit Agricole, Société Générale und BNP Paribas sowohl die operativen Kosten als auch die Risikovorsorge. Die Risikovorsorge war insbesondere durch nicht-operative Sondereffekte verbunden mit dem Engagement in Griechenland verursacht. So wurde Crédit Agricole durch die griechische Tochter Emporiki belastet (Verlust von 352 Millionen Euro). Zusätzlich hält Crédit Agricole auch Beteiligungen in anderen schwierigen Euroländern: Bankinter in Spanien, Banco Espírito Santo in Portugal und Cariparma in Italien, die ebenfalls zu Abschreibungen führten.
In Spanien konnte die Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) ihre Erträge deutlich steigern. Zugleich belastet sie jedoch eine verschärfte Risikovorsorge, wie auch die Banco Santander (begründet in Altlasten aus Krediten). Bei Santander war zudem ein Anstieg der operativen Kosten zu verzeichnen.Beim Blick auf Mittel- und Nordeuropa mussten Danske Bank und Nordea wieder relevante Risikokosten verbuchen. In Deutschland verzeichnete die Deutsche Bank im vierten Quartal einen Rückgang der Profitabilität (das vierte Quartal in Folge); der leichte Anstieg der Erträge und die sinkende Risikovorsorge konnten den Kostenanstieg nicht kompensieren. Die Commerzbank konnte leicht niedrigere Erträge im Vergleich zum Vorquartal durch niedrigere Kosten ausgleichen.
Top-Performer vergrößern ihren Vorsprung
Während die Retail-Banking-Erträge auf oder knapp über Vorkrisenniveau stagnieren, ist die Profitabilität dramatisch gesunken. In Europa liegt die Profitabilität bei rund 60 Prozent und in den USA sogar nur bei 46 Prozent des Niveaus von 2006. Dabei vergrößert sich der Abstand zwischen den Top-Performern und Low-Performern unter den Retailbanken weiter, wie eine BCG-Studie zu den 15 weltweit führenden Retailbanken mit insgesamt mehr als 420 Millionen Kunden zeigt. Die Studie macht deutlich, dass Operational Excellence ein ganz entscheidender Faktor ist, der zwischen Gewinnern und Verlieren im Retailbanking entscheidet. Die Top-Performer zeichnen sich durch eine Operational Excellence entlang von vier Dimensionen aus:
■Erfolgsfaktor 1 - Exzellenz bei der Erfüllung der Kundenansprüche: Die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden ist einer der wichtigsten Differenzierungsfaktoren im Retail Banking. Operative Exzellenz mit Blick auf den Kunden bedeutet eine schnelle, fehlerfreie und typgerechte Bereitstellung von Bankdienstleistungen. So benötigen die besten Banken zum Beispiel nur fünf Minuten für die Eröffnung eines Kontos inklusive Aushändigung einer temporären Kontokarte, während die meisten Banken über eine Stunde für die Eröffnung eines Kontos brauchen und die Kontokarte meist erst nach einigen Tagen zur Verfügung steht.
■Erfolgsfaktor 2 - effiziente und effektive Prozesse: Prozesse und Abläufe einer Bank spielen eine wesentliche Rolle für die Kosteneffizienz und das Kundenerlebnis. Prozesse sollen einfach, schnell, fehlerfrei und papierlos sein. So ist die beste Retailbank bei Kontoeröffnungen um den Faktor acht produktiver als andere Banken.
■Erfolgsfaktor 3 - eine schlanke Organisation: Führende Banken haben eine schlanke und vertriebsorientierte Organisation. Bei den besten Retailbanken sind rund 80 Prozent der Mitarbeiter in kundennahen Vertriebs- und Servicefunktionen tätig, gegenüber einem Durchschnitt von 65 Prozent.
■Erfolgsfaktor 4 - Reduktion von Komplexität: Komplexität ist ein wesentlicher Kostentreiber. Viele Banken streben daher eine deutliche Komplexitätsreduktion an. Die besten Banken im BCG-Benchmarking haben zum Beispiel in den vergangenen Jahren ihr Produktportfolio deutlich gestrafft.
Kontinuierliche Verbesserung notwendig
Die besten Retailbanken zeigen, dass Operational Excellence heute einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Retail Banking ist. Um in einem stagnierenden Markt Wettbewerbsanteile zu gewinnen und den anhaltenden Trend zu sinkender Profitabilität zu stoppen, müssen Retailbanken eine Kultur der Operational Excellence etablieren. Voraussetzungen dafür sind Transparenz über die operative Performance, die Etablierung einer ganzheitlichen Verantwortlichkeit sowie einer kontinuierlichen Innovationskultur. Wer stillsteht, der wird schnell hinter die Konkurrenz zurückfallen.
Quelle: Bankmagazin.de
Veröffentlicht von: TobiasH
Datum: 11.04.2012
Quelle: BAnkazubis.de
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